Bei der Standseitentruhe (auch Seitenstollentruhe, oder im Englischen “6 Board Chest”, genannt) handelt es sich um eine einfache Truhenkonstruktion bestehend aus gerade einmal 6 Brettern. Im Gegensatz zur Frontstollentruhe lässt sich diese aufgrund ihres einfachen Aufbaus sehr einfach selber nachbauen.
Die folgende Abbildung zeigt den grundsätzlichen Aufbau einer Standseitentruhe bestehend aus
- 2 Seitenstollen mit Aussparungen für die Bodenbohle
- 2 Wandbohlen
- Deckenbohle
- Bodenbohle mit Zapfen für die Aussparungen in den Seitenstollen
Dabei konnten die Wandbohlen entweder mit Holz- oder Eisennägeln an de Seiten- und der Bodenbohle befestigt worden sein. Der Deckel wurde durch eiserne Bandscharniere mit dem Truhenkorpus verbunden.
Originale
Im folgenden sind ein paar erhaltene Originale von Standseitentruhen mit detailierter Beschreibung aus de 13.ten und 14.ten Jahrhundert aufgelistet.
Ebstorf (kurz nach 1179)
Bei dieser Truhe sind die Seitenbohlen unten spitzbogig ausgeschnitten und die Seitenbohlen unten ausgeklinkt um die Wandbohlen aufzunehmen. Die Wandbohlen sind mit schmiedeeisernen Nägeln an die Seitenbohlen angenagelt. Zusätzlich sind an jeder Seite 3 schiedeeiserne Winkeleisen, deren Enden C-Förmig aufgetrennt sind, angebracht. Der Deckel ist mit 3 schmiedeeisernen Scharnieren angebracht.
Das Material der Truhe ist Eiche, die Abmessungen sind
Abmessung | Maß [in cm] |
---|---|
Höhe | 89,5 |
Breite | 200,0 |
Tiefe | 75,0 |
Wienhausen (um oder kurz nach 1256)
Bei dieser Truhe ist die Bodenbohle in recht breiten Aussparungen in die Seitenbohlen reingesteckt. Die Bodenbohle schaut aus den Aussparungen raus und laufen zur Mitte hin spitz zu. Die vordere Wandbohle ist mit Holznägeln, die hintere mit schmiedeeisernen 3 Nägeln an die Seitenbohlen angenagelt. Die Seitenbohlen sind nicht ausgeklinkt um die Wandbohlen aufzunehmen. Zusätzlich sind an jeder Seite zwei Eisenbänder angebracht um die True zusammen zu halten.
Der Deckel ist mit 2 eisernen Scharnieren angebracht (welche jedoch nicht die Original Scharniere sind).
Das Material der Truhe ist Eiche, die Abmessungen sind
Abmessung | Maß [in cm] |
---|---|
Höhe | 61,0 |
Breite | 102,0 |
Tiefe | 53,5 |
Zwei Truhen Wienhausen (ca. 1400)
Zwei Truhen, die anhand der Schlösser auf ca. 1400 datiert werden, sind ähnlich und sehr einfach gehalten. Die Bodenbohlen liegen in innenliegenden Nuten in den Seitenbolen (Albrecht 1997) und zusätzlich durch Eisennägel gehalten. Die Wandnohlen sind stumpf, mit schmiedeeisernen Nägeln, vor die Seitenbohlen genagelt. Der Deckel beider Truhen ist aus Nadelholz (der rest aus Eichenholz).
Das Material der Truhe ist Eiche, die Abmessungen sind
Abmessung | Maße Truhe 1 [in cm] | Maße truhe 2 [in cm] |
---|---|---|
Höhe | 72,5 | 74,5 |
Breite | 121,0 | 103,0 |
Tiefe | 64,0 | 64,0 |
Isenhagen (ca. 1400)
Bei dieser Truhe sitzt der Boden wie bei den beiden oberen aus dem kloster Wienhausen in Nuten in den Seitenbohlen. Jedoch ist der Boden nciht durch zusätzliche Nägel gesichert. Die Seitenbolen sind unten Spitzbogig ausgeschnitten und auseklinklinkt um die Wandbohlen aufzunehmen. Die Wandbohlen sind mit schmiedeeisernen Nägeln davorgenagelt. Die rechte Seitenbohle ist aus (wie der Rest) Kiefernholz, die Linke Seitenbohle aus Eichenholz, und nicht Original. Es scheint als würden an der Rechten Seite ca. 13cm fehlen (Stülpnagel 2000) wodurch die Eisenbeschläge und das Schloss asymetrisch auf der Truhe sitzen.
Die Eisenbeschläge für die Scharniere haben lilienförmige Enden (Albrecht 1997).
Das Material der Truhe ist Eichen und Kiefernholz, die Abmessungen sind
Abmessung | Maße [in cm] |
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Höhe | 74,5 |
Breite | 151,0 |
Tiefe | 61,0 |
Funde Eisenteile
Scharnierbänder für den Deckel
Zum anbringen des Deckels konnten entweder Ösenscharniere, wie sie sich an vielen Frontstolentruhen finden, oder aber eiserne Scharnierbänder verwendet werden. Im Fundgut aus Schleswig (Saggau 2000)sind diese an einem Ende flach verbreitert und das andere Ende C-förmig aufgespalten. Als Befestigung haben sich eiserne Nägel mit flachem Kopf erhalten.
Ein erhaltenes Fragment vom Heiligenberg in Heidelberg, siehe Abbildung, zeigt ein lilienförmig aufgespreiztes Ende (Gross 2012).
Überfallen zum verschließen des Deckels
Überfallen dienten als Alternative zu eingebauten Schlößern um die Truhen zu verschließen. In Schleswig haben sich einige Funde erhalten siehe folgende Abbildung die zum Teil aus tordiertem Eisen bestehen.
An einem Exemplar aus Schleswig war noch ersichtlich dass das eine Ende beweglich an einer Krampe fixiert wurde, ähnlich dem Fund vom Heiligenberg in Heidelberg.
Vorhängeschlößer
Zum verschließen der Truhen konnten bspw. Überfallen mit Vorhängeschlössern, oder fest eingebaute Schlösser benutzt werden. Bei den Vorhängeschlössern lassen sich für das 13.te Jahrhundert 2 Typen unterscheiden:
- Typ 1: Die Bügelscheide ist mit dem Schlosszylinder über einen dünnen Steg verbunden, siehe Typ (a), (b) und (c) in folgender Abbildung. Verschlossen wird es über einen Runden Bügel zwischen Bügelscheide und Schlosszylinder.
- Typ 2 Diese Schlösser sind von der Seite Birnenförmig und statt eines Bügels haben sie eine feste Achse zwischen zwei Seitenarmen, siehe Typ (d) und (e).
Zu einer Sondeform gehört Schloss (f) dass sich keinem der beiden Typen zuordnen lässt. Dieses besass vermutlich am unteren Ende des Schließzylinders eine nun abgebrochene Öse in der der Bügel verankert wurde.
Der Verschlussbügel war mit der oberen Abdeckplatte und der inneren Sperrfederkonstruktion fest verbunden, so dass beim öffnen des Schlosses dieser Teil komplett heraus gezogen wurde und das Schloss danach in zwei Teilen vorlag. Der Bügel wurde also nicht wie bei heutigen Vorhängeschlössern aufgeschwungen.
Zur Verzierung konnten auf die Schlösser Leisten aus Kupfer oder Eisen aufgelötet sein. In Schleswig waren die eisernen Zylinder, soweit erkennbar, mit einer Kupferlegierung überzogen, so dass die Oberfläche wie galvanisiert wirkte, Typ (b) und (f).
Sperriegelschlösser
Schlüssel
Bei den Schlüsseln kann man für das 13.te Jahrhundert 2 Typen unterscheiden:
- Bartschlüssel Sie wurden vorwiegend bei Truhen- oder Türschlössern benutzt. Seltener bei Vorhängeschlössern. Mit Ausnahme von zwei komplett flachen Schlüsseln sind alle Stäbe rund und hohl oder massiv. Im 13.ten Jahrundert war jedoch die massive Ausführung vorherschend. Im 12.ten Jahrhundert dominierten noch hohle und flache Schäfte (Saggau 2000).
- Steckschlüssel Ab 1200 finden sich Steckschlüssel bei denen, im Gegensatz zu den früheren Funden, das stempelförmige Ende rechtwinklig zum Schaft steht. Sie wurden vorwiegend für Vorhängeschlösser, bei denen das Schlüsselloch am unteren Rand, oder im Boden war. benutzt,
Funde für Bart und Steckschlüssel finden sich bspw. in Schleswig (Saggau 2000) aber auch in Ulm (Westphalen 2006)
Holzbretter
Holzarten
Alle erhaltenen Standseitentruhen sind aus Eiche gefertigt, welches auch die vorwiegende Holzart an erhaltenen Brettern und Bretterfragmenten in Lübeck, (Hahn 1978) und Sindelfingen (Grohne 1978) war. In Sindelfingen finden sich daneben noch Bretter aus Tanne (etwa 1/3 der Menge an Eichenbretter), diese werden jedoch eher den Dauben zugeordnet. Fichte findet sich bei den Brettern, bzw. allgemein bei den Nutzhöltern gar nicht.
Anhand der Bruchstücke von Ästen aus Sindelfingen schließt man das der umliegende Wald vorwiegend aus Eiche, gefolgt von Nadelbäumen (mit überwiegend Tanne) bestand (Grohne 1978). Kiefer findet man erst in Proben des 16.ten Jahrhunderts. Auch die Pollenanalyse lässt auf Eiche als vorherschende Baumart in den umliegenden Wäldern schließen.
Bei den Funden von Brettchen aus Konstanz/Freiburg ist leider keine Holzart angegeben (Müller 1996).
Holzverbindungen
Bei den erhaltenen Standseitentruhen wurden die Verbindungen zwischen den einzelnen Holzbohlen nicht näher beschrieben. Jedoch finden sich zu den parallel vorhandenen Frontstollentruhen genaue Beschreibungen zur Verbindungsart der Deckel- und Bodenbohlen. Es ist davon auszugehen das bei den Standseitentruhen die Bohlen auf ähnliche weise verbunden sind.
- Z 174
- Stumpfer Stoß. Beide Bohlen sind an den einfach zusammengefügt und ggf. geleimt.
- Z 175
- Verdübelung. Dies is die am häufigsten vorkommende Verbindungsart bei den Decken- und Bodenbohlen der Lüneburger Heideklöster. Dabei wurden Holznägel in vorgebohrte Löcher gesteckt und die Bohlen so miteinander verbunden
- Z 176
- Spundung. Bei der Spundung wurde mittels eines Zieheisens eine Kerbe in die eine Bohle eingearbeitet. Die andere Bohle wurde angeschärft und in diese Bohle eingelegt.
- Z 177
- Abgesetzte Spundung. Diese Verbindung wird ähnlich wie die “`Spundung”' ausgeführt, jedoch nicht bis zum Rand der Bohle ausgeführt. Auf diese Weise ist die Verbindung von der Seite nicht zu erkennen. Diese Variante wurde nur an einer Truhe festgestellt.
- Z 178
- Überfälzung. Dabei wurden beide Bohlen einseitig ausgestemmt und aufeinander gelegt. Diese Variante wurde an nur einer Truhe festgestellt.
- Z 179
- Lose Feder. Bei dieser Verbindung wird mittels eines Ziehmessers eine Kerbe in beide Bohlen eingearbeitet. In diese Kerbe wurde beim verleimen eine lose Holzleiste eingelegt.
Quellen
- Karl Heinrich von Stülpnagel. Die gotischen Truhen der Lüneburger Heideklöster. Entstehung - Konstruktion - Gestaltung. Museumsdorf Cloppenburg, Cloppenburg, 2000
- Thorsten Albrecht. Truhen - Kisten - Laden. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart am beispiel der lüneburger Heide. Michael Imhof Verlag, Petersberg, 1997.
- Holke Elisabeth Saggau. Mittelalterliche Eisenfunde aus Schleswig. Ausgrabung Schild 1971 - 1975. Wachholtz Verlag, Neumünster, 2000.
- Uwe Gross. Die mittelalterlichen und neuzeitlichen Keramik-, Metall und Beinfunde. In Frieder Klein und Uwe Gross Peter Marzolff: Forschungen zum Heiligenberg bei Heidelberg : Forschungsgeschichte, Fundmaterial, Restaurierung, Seite 393–563. Forschungen und Berichte der Archäologie des Mittelalters in Baden-Württemberg, Stuttgart, 2012.
- Thomas Westphalen. Die Ausgrabung von Ulm-Rosengasse. Frühmittelalterliche bis neuzeitliche Befunde und Funde. Doktorarbeit, Fakultät für Kulturwissenschaften der Eberhard-Karls-Universität Tübingen, 2006.
- Klaus-Dieter Hahn. Grabung Königstraße 59-63 in Lübeck; Kommentierter Katalog der Kleinfunde aus Glas, Metall, Holz, usw. In Werner Neugebauer: Lübecker Schriften zur Archäologie und Kulturgeschichte, Seiten 119–132. Bonn Habelt, Lübeck, 1978.
- Udelgard Körber-Grohne. Pollen-, Samen- und Holzbestimmungen aus der mittelalterlichen Siedlung unter der oberen Vorstadt in Sindelfingen (Württemberg). In Landes- denkmalamt Baden-Württemberg: Forschungen und Berichte der Archäologie des Mittelalters in Baden-Württemberg. Müller & Gräff, 1978.
- Ulrich Müller. Holzfunde aus Freiburg/Augustinereremitenkloster und Konstanz. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart, 1996.